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  • Klimaangst verstehen und bewältigen - Ein Leitfaden

    In einer Welt, die sich zunehmend mit den Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzt und Auswirkungen auch für den Einzelnen durchaus konkret und sichtbar erlebbar werden, erleben immer mehr Menschen Gefühle der Sorge, Angst und Verzweiflung. Diese Emotionen werden oft als "Klimaangst" (englisch: "Climate Anxiety") bezeichnet und beginnt gerade ein zunehmend ernstzunehmendes psychisches Gesundheitsproblem zu werden. In diesem Artikel werden wir Klimaangst genauer definieren, ihre Entstehung beleuchten, die Symptome erläutern, die Probleme der Betroffenen beschreiben, diagnostische Zugänge diskutieren und erfolgversprechende Behandlungsansätze betrachten. Definition von Klimaangst Der Begriff "Klimaangst" bezeichnet: das Gefühl von Sorge, Unruhe, Furcht oder gar Verzweiflung, die Menschen aufgrund der Klimakrise empfinden. Problematisch erlebt werden die befürchteten Auswirkungen des Klimawandels auf die Umwelt allgemein sowie konkret auf Lebensbedingungen und insbesondere auf die Gesundheit. Die Ängste umfassen die eigene Person und typischerweise auch Menschen aus dem engeren sozialen Umfeld. Wir können Klimaangst grundsätzlich verstehen als eine normale Reaktion auf die wachsenden Bedrohungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Allerdings kann es sich zu einem ernstzunehmenden psychischen Gesundheitsproblem entwickeln, wenn die Intensität der Beschäftigung mit Sorgen und Ängsten zu Klimaauswirkungen überhand nimmt, wenn es chronifiziert und auf den Betroffenen insgesamt lähmend auf seine Handlungsfähigkeit wirkt. Als positive Auswirkung kann Klimaangst Menschen auch in Bewegung versetzen und sie motivieren, umweltbewusste Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu setzen, auf die Politik einzuwirken und damit persönlich einen Beitrag gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu setzen. Entstehung von Klimaangst Klimaangst entsteht aus der zunehmenden Wahrnehmung von Klimawandelauswirkungen wie Naturkatastrophen, steigende Temperaturen und Artensterben und den in Folge erwarteten Bedrohungen für das eigene Leben und gesundheit. Diese klimatischen Auswirkungen sind für viele Menschen durchaus bereits persönlich spürbar geworden und umfassen beispielsweise: Anzahl der Hitzetage und Spitzentemperaturen zunehmende Anzahl von Orkanen und ansteigende Sturmstärken Niederschlagsveränderungen Flutkatastrophen Rückgang von Permafrost-Zonen und Gletschereis Änderungen der Vegetation infolge zunehmender Wärme und vielem mehr Als weiterer Faktor kann die aktuelle Medienberichterstattung sowie die rasante Verbreitung von Nachrichten auf sozialen Medien für Ängste verstärkend wirken, besonders weil die Berichterstattung mittlerweile global erfolgt und dadurch auch entfernte katastrophale Szenarien und Schreckensnachrichten unmittelbar berühren und ein Gefühl der Betroffenheit auslösen können. Welche Symptome sind bei Klimaangst typisch? Symptome unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und sind - wie bei den meisten psychischen Erkrankungen - immer spezifisch für die betroffene Person. Sie können zB. die folgenden Symptome zeigen: Körperliche Symptome: Schlafstörungen Konzentrationsstörungen Kopfschmerzen Magenprobleme erhöhte Herzfrequenz erhöhte Anspannung Emotionale Symptome: Angst Wut Trauer Niedergeschlagenheit Verzweiflung Schuldgefühle Verhaltensmuster: Zurückgezogenheit Vermeidung von Gesprächen über den Klimawandel zwanghaftes Grübeln und Nachdenken Gefühl der Hilflosigkeit Gefühl der Lähmung / Handlungsunfähigkeit Insgesamt kann eine Klimaangst die Fähigkeit einer Person, ihre täglichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu erfüllen, aufgrund der oben genannten Symptome durchaus tiefgreifend beeinträchtigen. Betroffene sind darüberhinaus auch von sozialer Isolation bedroht, wenn sie befürchten, dass andere ihre Sorgen nicht verstehen oder teilen. Langfristig kann das Gefühl, dass die Klimakrise nicht mehr abwendbar ist, zu einem tiefgehenden Verlust von Hoffnung und Sinn führen. Wie ist Klimaangst diagnostisch einzuordnen? Klimaangst ist nicht offiziell als spezifische Diagnose in den heute eingesetzten psychiatrischen Diagnosehandbüchern wie dem DSM-5 oder ICD-11 aufgeführt, aber aufgrund der typischen Symptome kann sie durchaus als Teil von Angststörungen oder depressiven Störungen verstanden werden. Eine konkrete Diagnose und Abschätzung der Schwere der Klimaangst sollte ausschließlich durch Fachleute auf Basis klinischer Interviews, Fragebögen und im persönlichen Patientenkontakt erfolgen. Bei der Diagnosestellung werden Dauer, Intensität und Auswirkungen der Angst auf das tägliche Leben der betroffenen Person berücksichtigt. Welche Behandlungsansätze erscheinen geeignet? Aus verhaltenstherapeutischer Perspektive sind Angst- und Depressions-reduzierende Behandlungsansätze geeignet. Darunter erscheinen insbesondere Techniken aus der Kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) und Achtsamkeitsbasierte Ansätze geeignet, leidenden Menschen zu helfen, ihre Ängste zu bewältigen und gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln. In besonders schweren Fällen ist jedoch auch eine psychiatrische Behandlung mit geeigneten Psychopharmaka in Erwägung zu ziehen - damit können besonders schwerwiegende Symptome rasch reduziert werden. Auch abseits der therapeutisch-medizinischen Versorgung können Betroffene selbst aktiv werden. Die aktive Teilnahme an umweltfreundlichen Aktionen kann Menschen ein Gefühl der Handlungsfähigkeit und Sinn vermitteln. Auch ein Austausch von Erfahrungen und Gefühlen in Themengemeinschaften oder mit vertrauenswürdigen Freunden und Familienmitgliedern kann entlastend wirken. Abschließend soll betont werden, dass Klimaangst ein komplexes Problem ist, das verschiedene Menschen auf unterschiedliche Weisen betrifft. Betroffene Personen wird dringend geraten, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um geeignete Unterstützung und Bewältigungsstrategien zu erhalten. Quellen: American Psychological Association (APA) - Climate Change and Mental Health Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) - Climate Change 2021: The Physical Science Basis National Institute of Mental Health (NIMH) - Anxiety Disorders United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) - Understanding Climate Change The Lancet - Mental health and our changing climate: Impacts, implications, and guidance

  • Die verborgenen psychischen Gefahren von hochpotentem Cannabis

    Die steigenden Zahlen von psychiatrischen Patienten mit akuter Cannabis-Intoxikation sollten Konsumenten über die oftmals proklamierte Harmlosigkeit von Cannabis nachdenklich werden lassen. Den wenigsten Personen sind die Gefahren von Psychosen durch hochpotentes Cannabis bewußt - denn der Joint, den Bob Marley vielleicht geraucht hat, ist definitiv nicht mehr mit den heute am Markt erhältlichen Produkten vergleichbar. Dieser Artikel möchte ein tieferes Verständnis zu diesen Problemen herstellen. Was ist "hochpotentes Cannabis"? Die Bezeichnung "hochpotentes Cannabis" bezieht sich auf Cannabisprodukte mit einem sehr hohen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC). Zum Verständnis: THC ist die psychoaktive Komponente der Pflanze. Eine gängige Definition von hochpotentem Cannabis ist: Cannabis, das mehr als 20% THC enthält oder alternativ: Produkte mit 10 mg oder mehr THC pro Portion​. Wobei es zu beachten gilt, dass es mittlerweile auch ultra hochpotente Cannabisprodukte wie Konzentrate gibt, die einen THC-Gehalt von 60% oder sogar noch mehr aufweisen. Gründe für den Anstieg von THC Der Anstieg der THC-Konzentration in Cannabis kann durch eine Vielzahl von Faktoren und Maßnahmen erklärt werden, wobei die vermutlich wichtigsten die folgenden Gründe sind: Markttrends Seitens der Konsumenten gibt es eine erhöhte Nachfrage nach potenteren Cannabissorten. Die Nachfrage bestimmt auch hier die verfügbaren bzw. gehandelten Produkte. Züchtung und Selektion Die Cannabisindustrie hat im Laufe der Jahre gezielt Sorten mit höherem THC-Gehalt gezüchtet, um eben diesen Konsumentenwünschen nach stärkeren Produkten nachzukommen Fehlende Regulierung Ohne konkrete Richtlinien oder spezifische Vorschriften von Regierungen hat die Cannabisindustrie Strains und konzentrierte Cannabisprodukte mit viel höheren THC-Konzentrationen entwickelt Anbau- und Verarbeitungstechniken Verbesserte Anbau- und Verarbeitungstechniken haben zur Steigerung des THC-Gehalts in Cannabisprodukten beigetragen Anstieg des Sinsemilla-Marktanteils Sinsemilla ist eine potente Form von Cannabis ohne Samen - die Zunahme ihres Marktanteils hat zur Erhöhung des durchschnittlichen THC-Gehalts beigetragen Änderungen in den staatlichen Gesetzen In einigen Regionen haben Änderungen der Gesetze den Zugang zu hochpotentem Cannabis erleichtert, was die Produktion und den Verkauf von Cannabissorten mit höherem THC-Gehalt durchaus fördern kann Zusammengefast sind es veränderte Konsumentennachfrage, optimierte Züchtung und Produktionstechniken sowie Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die in Summe zu höheren THC-Konzentrationen geführt haben. Entwicklung des THC-Gehalts in den letzten 30 Jahren Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich der THC-Gehalt in Cannabis deutlich erhöht. Eine Analyse von Cannabissorten, die zwischen 1995 und 2014 von der Drug Enforcement Agency beschlagnahmt wurden, zeigte eine Steigerung des durchschnittlichen THC-Gehalts von etwa 4% auf 12%, d.h eine Verdreifachung der Konzentration. Eine andere Studie fand heraus, dass der durchschnittliche THC-Gehalt in Cannabis zwischen 1995 und 2015 um 212% gestiegen ist. Weil diese Zahlen nicht mehr wirklich aktuell sind, ist davon auszugehen, dass die Trends des Anstiegs von THC bis zum heutigen Tage sich kontinuierlich fortgesetzt haben und wir heute von einem rund 5-fachen Anstieg ausgehen sollten - manche Experten reden sogar von einer bis zu 10-fach höheren Konzentration. Auf jeden Fall gilt, dass auch die Bob Marleys dieser Welt bei diesen enormen Konzentrationen vermutlich von schweren psychischen Nebenwirkungen betroffen wären. Gefahren für den Konsumenten Hochpotentes Cannabis birgt erhebliche Risiken, insbesondere für junge bzw. unerfahrene sowie Gelegenheits-Konsumenten, die noch keine bzw. wenig Erfahrung in der korrekten Dosierung der Droge haben. Und dadurch völlig überrascht von den intensiven Wirkungen von hochpotentem Cannabis werden können. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022 stellte fest, dass hochpotentes Cannabis mit einem erhöhten Risiko für Psychosen und Cannabis-Gebrauchsstörungen in Verbindung gebracht wird. Nach psychiatrischem Verständnis kann bereits ein einmaliger Konsum von Cannabis psychotische Wirkungen auslösen. Darüber hinaus kann hochpotentes Cannabis auch kognitive Funktionen beeinträchtigen, einschließlich Erinnerungen und Entscheidungsfindung​.

  • Selbst-Diagnose von psychischen Erkrankungen: 11 Gefahren und häufige Fehler

    Seit Jahren ermutigen Gesundheitsexperten Menschen dazu, offen über psychische Gesundheit und etwaige Probleme zu sprechen. Besonders jüngere Generationen haben diesen Rat beherzigt. Es ist sehr positiv, dass die Menschen sich der Häufigkeit und der Relevanz psychischer Erkrankungen bewusster geworden sind. Eine unbeabsichtigte Entwicklung davon ist jedoch, dass immer mehr Jugendliche versuchen, sich selbst mithilfe der Internet-Recherche und auch mit Online-Videos (z.B.: TikTok, YouTube, ...) zu diagnostizieren. Menschen aller Altersgruppen verwenden das Internet, um herauszufinden, was in ihrem Kopf und ihrer Psyche vor sich geht. Es gibt viele gute Informationen - aber leider auch viel Fehlinformationen und Falschinformationen. Eine Überprüfung von 500 TikTok-Videos zum Thema psychische Gesundheit ergab, dass nur 54% korrekte Informationen enthielten. Aber 84% enthielten Fehlinformationen. Ganze 14% enthielten sogar potenziell schädliche Informationen. Das ist kein TikTok spezifisches Problem - fehlerhafte Gesundheitsinformationen sind auch auf Plattformen wie YouTube und Facebook weit verbreitet. Bereits die Verbreitung lediglich ungenauer Informationen über psychische Gesundheit im Internet ist ein ernsthaftes und schwieriges Problem. Doch selbst wenn Sie alle richtigen Fakten zur Hand haben, kann die Diagnose einer psychischen Erkrankung noch immer deutlich schwieriger sein, als Sie denken. Online-Videos suggerieren oft, dass das Vorhandensein bestimmter Verhaltenssymptome auf einer Checkliste bedeutet, dass Sie an eben dieser Erkrankung leiden. Doch wie jeder erfahrene Koch weiß: ein Haufen von Zutaten bestimmt noch lange nicht, wie ein Gericht am Ende tatsächlich schmeckt. Gefahren einer ungenauen Diagnose Abgesehen von Fehldiagnosen ist auch mangelnde Krankheitseinsicht (d.h. das Nicht-Anerkennen-Wollen, dass bestimmte Symptome vorhanden sind) für eine betroffene Person ein aktuelles Problem. Denn das Übersehen einer real vorliegenden psychischen Erkrankung verhindert fast immer eine wirksame Behandlung dieser Erkrankung. Und der frühzeitige Beginn einer Behandlung ist oft ausschlaggebend. Eine ungenaue Selbst-Diagnose kann dazu führen, dass sich Menschen noch isolierter und allein fühlen. Sie kann das Selbstwertgefühl untergraben und harmlose Symptome in etwas Schwerwiegenderes verwandeln. Es kann Menschen dazu verleiten, bewusst oder unbewusst zusätzliche Symptome zu entwickeln, um besser zu einem Krankheitsbild zu passen, das sie gar nicht haben. Es kann dazu führen, dass man unglaublich viel Zeit und Sorgen in eine Erkrankung investiert, die man gar nicht hat. Zu glauben, dass man an einer psychischen Erkrankung leidet, die man tatsächlich nicht hat, kann das eigene Durchhaltevermögen untergraben und das Selbstbild verzerren. Diese Bedenken sind besonders bei Jugendlichen relevant, bei denen die langfristigen negativen Auswirkungen solcher Schäden tiefgreifend sein können. Warum ist eine genaue Diagnose so schwierig? Psychiatrische und psychotherapeutische Experten haben leider selbst und unbeabsichtigt zur Verwirrung über die Diagnose von psychischen Erkrankungen beigetragen. Die diagnostischen Handbücher haben mit der Einführung von Checklisten versucht, die Auswirkungen von unterschiedliche Sichtweisen von therapeutischen Schulen auf mögliche Krankheitsursachen zu eliminieren. Deswegen konzentrieren sich diese Checklisten auf beobachtbare Symptome. Auf diese Weise sollen unterschiedliche Fachleute zu möglichst identen diagnostischen Schlüssen kommen. Deswegen sehen diese Checklisten wie einfache Rezepte aus - jeder kann sie lesen, jeder kann den Anweisungen folgen und jeder schint feststellen zu können, ob er eine psychische Erkrankung hat. Allerdings - diese Checklisten sind nicht für die Anwendung durch jeden bestimmt, sondern richten sich ausschließlich an Personen mit der notwendigen Ausbildung und Erfahrung. Selbst bei medizinisch meßbaren Werten - wie z.B. dem Blutdruck - ist eine korrekte Interpretation OHNE das erforderliche medizinische Fachwissen für einen Laien so gut wie unmöglich. Die wenigsten Nicht-Mediziner wissen, dass die Bewertung einer Blutdruckmessung nur im Kontext von vielen anderen Messungen richtig verstanden werden kann und von vielfältigen Faktoren abhängt, wie z.B.: - von der Tageszeit der Messung - an welchem Körperteil gemessen wurde - vom Angstlevel - von Spannungszuständen im Körper - von Medikamenteneinnahme - von Mahlzeiten - wie gut der Körper hydriert ist - ... All dies und mehr berücksichtigt der Diagnostiker z.B. bei der Feststellung eines Bluthochdrucks. Bitte überlegen Sie jetzt einmal, wie viel schwieriger es ist festzustellen, ob Sie an einer psychischen Erkrankung leiden - basierend auf Ihrer eigenen Interpretation subjektiver Internet-Selbsttests oder Videos. Der menschliche Körper und sein Gehirn sind unglaublich komplex. Die Möglichkeiten, wie unsere Umwelt sie beeinflussen kann, sind nahezu unendlich. Deswegen ist Diagnostik - besonders bei psychischen Erkrankungen - eine Wissenschaft. Halbwissen bzw. noch schlimmer: falsches Wissen kann in diesem Kontext sogar gefährlich sein. Warum sind diagnostische Checklisten für Laien schwer zu befolgen? Folgende Punkte sind einige häufige, typische und systematische Fehler von Personen, die sie versuchen, psychische Erkrankungen selbst zu diagnostizieren: 1. Verwechseln von anekdotischen Symptomen mit Mustern. Die Diagnose von psychischen Erkrankungen erfordert, dass jemand ein umfangreiches und anhaltendes Verhaltensmuster in verschiedenen Umgebungen und zumeist über einen definierten längeren Zeitraum zeigt. Anekdotische (einzelne, nicht wiederholte) Vorkommen sind hier oft nicht relevant. Nur weil das letzte Meeting wirklich schwer auszuhalten war, heißt das nicht, dass Sie ADHS haben. Auch wenn Sie den ganzen Tag geweint haben, nachdem Ihr geliebtes Haustier gestorben ist, sind Sie noch lange nicht depressiv. 2. Verwenden der falschen Vergleichsgruppe. Diagnostischen Checklisten beschreiben in der Regel ein Muster von abweichendem Verhalten - allerdings müssen Sie sich mit Menschen im gleichen Alter, Geschlecht und (mittlerweile immer wichtiger) kulturellen Hintergrund vergleichen, um für eine Diagnose relevante Aussagen zu erhalten. Ein für ein Kind adäquates Verhalten mag bei einem Erwachsenen bereits ungewöhnlich sein. 3. Unkenntnis der medizinischen Bedeutung eines medizinischen Begriffes. Im täglichen Sprachgebrauch verwenden wir medizinische Begriffe wie "depressiv", "manisch", "bipolar", "Borderline", etc. oft in einer Weise, die überhaupt nicht dem entspricht, was psychische Gesundheitsexperten unter diesen Begriffen verstehen. Der zunehmend offenere Zugang, über psychische Gesundheit sowie Probleme zu reden, hat diesen Trend beschleunigt. 4. Unterschätzen der Schwierigkeiten, in den eigenen Kopf zu sehen. Einige unserer eigenen Verhaltensweisen sind durchaus leicht zu beurteilen, allerdings haben wir auch so viele Informationen (und Fehlinformationen und Desinformationen) über unsere eigenen Handlungen, dass es schwer sein kann zu beurteilen, warum und sogar was wir denken, fühlen und tun. Die Kombination Ihrer eigenen Eindrücke mit einem ausgebildeten professionellen externen Beobachter kann helfen, eine qualifizierte Einschätzung darüber zu erhalten, ob Ihre Wahrnehmung von Krankheits-Symptomen mit der Expertensicht tatsächlich zusammenpasst. 5. Falsche Rückschlüsse von anderen auf sich selbst. Selbst wenn Sie denken, dass jemand in einem TikTok- oder YouTube-Video völlig ehrlich ist - selbst dann wird diese Person nicht ALLE ihre innersten Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen offenlegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden bestimmte Persönlichkeitsaspekte oder Verhaltensweisen dennoch zurückbehalten - schließlich sind hier oft kommerzielle Absichten mit im Spiel. Auf Basis dieser Perspektive versuchen festzustellen, wie ähnlich Sie wirklich jemandem sind, der auf TikTok oder YouTube Videos über seine psychische Erkrankung spricht, ist äußerst unzuverlässig und fehleranfällig. 6. Recherchefehler in Folge von Bestätigungsverzerrung. Wenn wir meinen, "depressiv", "bulimisch" oder "autistisch" zu sein, suchen wir nach Beweisen, die dies zu unterstützen scheinen, und dabei vermeiden wir es tendenziell, uns mit widerlegenden Beweisen ernsthaft auseinanderzusetzen. Unsere Wahrnehmungsprozess funktionieren so und deswegen neigen sie dazu, Daten zu suchen, die unsere bereits bestehenden Überzeugungen unterstützen, und letztlich filtern und intepretieren wir Fakten genau in dem Licht, wie wir die Welt bereits sehen. 7. Beeinflussung durch persönliche Vorurteile. Ob bzw. wie sehr Sie andere Menschen mögen oder eben auch nicht, beeinflusst Ihre Einschätzung oft sehr nachhaltig, ob Sie meinen, etwas mit ihnen gemeinsam zu haben. Es ist für Menschen durchaus sehr schwierig zu akzeptieren, dass sie selbst kontinuierlich Verhaltensweisen von genau derjenigen Person zeigen, die sie eigentlich ablehnen. Als Beispiel: "Ich kann unmöglich ADHS haben, weil ich überhaupt nicht wie meine Mutter bin, die definitiv ADHS hat!" 8. Fehleinschätzung über die möglichen Ausprägungsbandbreiten von Erkrankungen. Nahezu alle psychischen Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Autismus, Schizophrenie, ADHS, ...) können in vielen unterschiedlichen Schweregraden auftreten - von ganz mild bis sehr schwer. Manche depressive Menschen können den ganzen Tag sehr erfolgreich arbeiten und ihre wahren inneren Gefühle verbergen, wenn sie nach Hause kommen - ohne, dass es ihre Umwelt bemerkt. Andere weinen stundenlang und schaffen es gar nicht mehr aus dem Bett. Manche erfolgreich tätige Unternehmer, Politiker, Künstler, Ärzte und andere zeigen sämtliche Kriterien einer ADHS Erkrankung, während andere mit der selben Erkrankung wiederum berufsunfähig sind oder auch keinerlei Beziehungen erfolgreich aufrechterhalten können. 9. Unkenntnis über die Symptom-Varianten. Idente Erkrankungen können sich auf unglaublich vielfältige Weise zeigen - sogar soweit, dass Menschen mit identer Diagnose gar keine gemeinsamen Symptome zeigen können. Bei Depression gibt es mehr als 200 unterschiedliche Symptomkombinationen, beim ADHS-Spektrum sind es sogar mehr als 100'000! 10. Unkenntnis darüber, was Sie nicht haben. Mit Internet-Recherche bei "Dr.Google" haben Sie sich vielleicht ausführlich über die vermutete Erkrankung informiert. Aber haben Sie sich auch über ALLE anderen möglichen Erkrankungen informiert, die sich überschneiden und mit Ihren Symptomen verwechselt werden könnten? Denn unterschiedliche Erkrankungen können zu erstaunlich ähnlichen Symptomen führen. Die Herausforderung für einen Fachmann bei der Differential-Diagnostik ist auch zu bedenken, welche symptomatisch ähnlichen Erkrankungen in Betracht bzw. ausgeschlossen werden können. 11. Einfluss Ihrer Persönlichkeit auf die Krankheits-Darstellung. Jeder Mensch hat seine individuellen Stärken, Fähigkeiten und Erfahrungen. Jeder von uns ist auf seine Art einzigartig auf dieser Welt. Die individuellen Eigenschaften, Erfahrungen und persönliche Umwelt eines jeden Menschen haben einen substantiellen Einfluss, wie er seine Erkrankung erlebt, mit ihr umgeht und sie auch der Umwelt präsentiert. Empfehlung Niemand kennt Ihre psychische Welt und Empfindungen besser als Sie selbst. Auch wenn gar nichts gegen einen offenen Austausch mit Familie, Freunden und anderen Personen des Vertrauens spricht, lassen Sie sich nicht von im täglichen Sprachgebraucht verwendeten Begriffen ("depressiv", "bipolar", "Borderline", "ADHS", ...) täuschen. Medizinisch gesehen haben diese Fachbegriffe einen ganz spezifischen Kontext und eine sehr konkrete Bedeutung - meistens allerdings anders als im privaten Gespräch. Informieren Sie sich via Internet oder auch Videos. Bedenken Sie jedoch, dass hier meistens fachliche Laien ihre individuellen Krankheitserfahrungen darstellen und Ihre eigene Situation davon sehr deutlich abweichen kann. Ziehen Sie aus augenscheinlich ähnlichen bzw. Ihnen bereits bekannten Symptomen keine eigenen Schlüsse über mögliche Erkrankungen oder gar Diagnosen. Merken Sie einfach, dass Ihr psychisches Erleben vielleicht einmal durch einen Spezialisten beleuchtet werden sollte. Und dann gehen Sie mit all diesen Themen zu einem/r Fachexperten/in, konfrontieren Sie diese Person mit Ihrem gesamten psychischen Erleben und stellen Sie all die Fragen, die Sie bewegen. Nur so erhalten Sie Gewissheit über Ihre konkreten Symptome und damit eine zuverlässige Diagnose! Und - warten Sie nicht zu lange... Bleiben Sie gesund!

  • 11 Gründe, warum das Ende des Berufsleben besonders wichtig für Ihre psychische Gesundheit ist

    Wie Sie das letzte Drittel Ihres Berufsleben erfüllend und glücklich gestalten können und damit Ihre psychische Gesundheit optimal unterstützen Eine tiefe Unruhe im Berufsleben beginnt wohl jeder Mensch im Laufe seines Lebens - früher oder später - sehr merkbar zu spüren. Und auch die Symptome sind in vielen Fällen durchaus ähnlich: nach 20+ Jahren im Arbeitsleben fällt der morgendliche Weg ins Büro immer schwerer, die Meeting-Tretmühle wird immer mühsamer, der "Täglich grüßt das Murmeltier"-Effekt der Planungszyklen ist nur mehr nervig... - und dann stellt man sich immer öfter die Frage: "Wie soll denn das die vielen Jahre bis zur Pension noch weitergehen?". Ein interessanter neuer Lösungszugang findet sich in "The Long View: Career Strategies to Start Strong, Reach High and Go Far" von Brian Fetherstonhaugh. Mir persönlich hatte es besonders das "Go Far" angetan... In diesem empfehlenswerten Buch teilt Fetherstonhaugh das Arbeitsleben in (prototypische) Drittel - jedes davon dauert rund 15 Jahre (ein paar Jahre auf oder ab sollen da keine Rolle spielen). Bei einem Berufsstart mit 20 Jahren ergibt das dann die Altersabschnitte 20-35 Jahre, 35-50 Jahre, 50-65 - d.h. ein Berufsende mit rund 65 Jahren, was ja recht gut mit dem heutigen Pensionsalter übereinstimmt. Wirklich interessant ist sein Ansatz, das Berufsleben in drei spezifische Abschnitte zu gliedern, die sich sehr deutlich von einander in Zielsetzungen und Schwerpunkten unterscheiden. Sehen wir uns diese drei Abschnitte vielleicht etwas konkreter an: 1. Drittel (20-35 Jahre) - Erfahrungen sammeln Für das allererste Drittel empfiehlt er, so viele Erfahrungen und Skills wie möglich zu erwerben (einzige Rahmenbedingung: diese Erfahrungen sollten branchen- und unternehmensunabhängig sowie transferrierbar sein) ohne besonders auf Stufen der Karriereleiter zu achten. Jeder Wechsel des Arbeitgebers ist gut - solange er dazu beiträgt, eben diese persönlichen Erfahrungen und Skills zu vergrößern. Für das Lebensalter von zwischen 20-35 Jahre ein sehr guter und absolut plausibler Plan. 2. Drittel (35-50 Jahre) - Karriereentwicklung Für das zweite Drittel sieht er den Fokus auf "Ernten", konkret: die zuvor erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten sollten dann genutzt werden, um verantwortungsvolle (und in Folge auch bestens dotierte) Aufgaben zu übernehmen. Wegen der Vor-Erfahrungen aus dem ersten Drittel ausgezeichnet vorbereitet und umfassend qualifiziert. In diesem Drittel sollten dann auch die wesentlichen Sprünge auf der Karriereleiter nach oben erfolgen. Für den Lebensabschnitt zwischen 35-50 Jahren erschient dies bestens passend - denn Familiengründung, Kinder, eigene Wohnung / Haus, neues Auto, etc. benötigen bekanntlich fette und stabile Einkommen. 3. Drittel (50 Jahre bis ...?) - Sinnstiftung und Erfüllung Nicht von ungefähr sieht Fetherstonhaugh für das letzte Drittel eine weitere signifikante Wende im Berufsleben: sind doch Mid-life Crisis, Empty-Nest Depression, Triple-Ultra-Triathlon-Abhängigkeiten, u.ä. doch typische Indikationen, dass der Mensch seine tiefe sinnstiftende Erfüllung nicht alleine im karrieregetriebenen Wirtschaftstreiben findet. Weil eben rein materielle Objekte zumeist per se nicht sinnstiftend wirken - denn wer braucht denn schon ernsthaft mehrere eigene Wohnhäuser, die 2. Segelyacht (40ft++), die 3. Ferienwohnung, das 4. Auto, die x. IWC oder Louis-Vuitton Tasche, ...? Deshalb sieht Fetherstonhaugh im dritten Drittel den beruflichen Schwerpunkt in sinnstiftenden und erfüllenden Aktivitäten - ohne besonderen Fokus auf großes Einkommen, geschweige denn Karriere. Das Hobby / Interesse zum Beruf machen. Einen persönlichen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. An sozialen Projekten mitarbeiten. Mit Menschen arbeiten - insbesondere mit Kindern, kranken oder alten Menschen oder mit sozialbedürftigen. Dem (unerfüllten) Traum-Beruf der Jugendzeit nachgehen. Erwerbszeit reduzieren und dafür sich selbst mehr Raum und Zeit geben. Was auch immer jemand für sich als sinnstiftend oder erfüllend findet. Viele (erwünschte) Nebenwirkungen - 11 gute Gründe, warum dieser Plan smart ist Die Vorteile eines derartig geplanten letzten Drittels sind vielfältig und enorm - und sie verhelfen zu einem wortwörtlich "besseren Leben" Geringere Bedürfnisse Der Zeitpunkt im Leben passt meistens auch sehr gut - wesentliche materielle Bedürfnisse sind in vielen Fällen bereits abgeschlossen: die Hypothek für das Haus ist ausbezahlt, die Kinder mit der Ausbildung weit fortgeschritten bzw. fertig, der Familien-SUV kann durch ein deutlich kleineres Auto ersetzt werden, etc. Damit läßt sich auch mit einem deutlich geringeren Einkommen ein sehr gutes Leben führen. Höhere Flexibilität bei Berufswahl Wer realisiert hat, mit wie wenig Geld man mit etwas gutem Willen das Auslangen finden kann - dem öffnen sich auch völlig neue Perspektiven bei der Berufswauswahl. Besonders dann, wenn nicht mehr das Einkommen (mindestens 6-stellig) das primäre Suchkriterium sein muss. Weniger Stress Deswegen können neue Aufgaben endlich ohne finanziellen sowie Karriere-Druck ausgeübt werden. Weil eben dieser Druck wegfällt (Leistung, Erfolg, Karriere), erlebt man die Aufgaben meist als zutiefst befriedigend - oft nicht einmal wirklich als "Arbeit". Finanzielle Unabhängigkeit - Einkommen auch neben der Rente Weil weniger Stress auch das Arbeitsleben insgesamt spürbar annehmbarer macht, können diese Aufgaben auch so lange ausgeführt werden, solange man eben möchte bzw. gesundheitlich kann - es gäbe auch wirklich keinen triftigen Grund, sie trotz der tiefen Befriedigung wegen Zeitablaufs mit Punkt Ende des dritten Drittels zu beenden, nur weil man gerade 65 Jahre alt geworden ist... Höhere Motivation und Antrieb Wenn man Aufgaben ausführt, die einem Freude bereiten und einen dabei noch mit Sinn erfüllen, ist man viel eher motiviert und engagiert bei der Arbeit. Sozusagen, ein Extra-Turbo. Produktivität Da man motivierter ist und sich auf seine Arbeit konzentrieren kann, ist man meist in der Lage, wesentlich effizienter zu arbeiten und kann seine Aufgaben auch schneller und fehlerfreier erledigen. Happiness statt Karriere Wer im Beruf seine Erfüllung findet, für den fühlt sich das Leben insgesamt deutlich erfüllender an. Eben dieser zusätzliche Sinn kann dazu beitragen, dass man in seinem ganzen Wesen rundum glücklicher und zufriedener ist. Verbesserung der Fähigkeiten Wenn man sich auf Aufgaben konzentriert, die einem Freude bereiten und einem Sinn erfüllen, ist es wahrscheinlicher, dass man bereit ist, mehr Zeit und Energie in die Verbesserung seiner Fähigkeiten zu investieren. Eine völlig neue Karriere Ein weiteres Paradoxon: wer in einem sinnstiftenden Aufgabenbereich arbeitet, dem fällt es leichter, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und zu verbessern. Das wiederum ermöglicht es besonders gute Arbeit zu leisten. Dieser Kreislauf wird durch die positive Rückkopplung dauernd weiter angetrieben, weil diese Aufgaben derartig viel Freude und damti Antrieb geben. So erhöht sich auch letztlich die Chance, genau in diesem Aufgabenfeld - neben und zusätzlich zur positiven Befriedigung - tatsächlich auch noch wirklich signifikant erfolgreicher zu sein. Positive Auswirkunge auf Partnerschaft und Beziehungen Ein entspanntes, befriedigendes und sinngebendes Berufsleben zeigt auch seine positiven Wirkungen weit über das Arbeitsumfeld hinaus - natürlich ganz besonders im privaten Bereich. Weniger Belastung und Druck, vielleicht sogar mehr Zeit sind großartige Booster für die Partnerschaft, Familie und Freunde. Fast so wie ganz am Anfang des Lebens... Psychische Gesundheit - Zufriedenheit verlängert das Leben Die vielen positiven psychischen Effekten wirken sich tatsächlich auch nachhaltig auf biologischer Ebene aus: der Wegfall des Stress (mit all seinen schwerwiegenden negativen Folgen) und die deutliche Entspannung wirken wie ein Jungbrunnen für den Körper - echt lebensverlängernd!

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